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Man kennt das Problem: Alles läuft glatt und gut, Prozesse sind eingespielt und plötzlich kommt jemand mit der Idee um die Ecke, ein Customer Relationship Management-System einzuführen.

Ja gut, das könnte schon mit der Digitalisierung helfen und zu besserer Kundenbetreuung, neuen Produkten und schnelleren Reaktionszeiten führen.

Aber es ist auch Arbeit (wenn es richtig gemacht wird) und wer hat dafür Zeit? 

Für alle, die sich gegen ein CRM wehren müssen: 

Hier sind unsere beliebtesten Sabotagemöglichkeiten, um die Einführung eines CRM Systems wie Salesforce, Hubspot oder Microsoft Dynamics  zu verhindern: 

  1. Aktuelle Prozesse ignorieren
  2. Stakeholder ignorieren
  3. Einfach den Marktführer nehmen!
  4. Den langjährigen Partner implementieren lassen
  5. Eine Standardlösung nehmen – und die dann anpassen
  6. Eine gute Software ist intuitiv und führt sich selbst ein.
  7. Wenige CRM Ressourcen und dann nur die billigen
  8. Alles ins Outsourcing
  9. Teilprojekte kapseln und parallelisieren – dann geht’s schneller schief

(Zugegebenermaßen werden wir eher dann geholt, wenn Sabotage verhindert werden soll oder, um das Projekt wieder auf die Schienen zu setzen. Aber dabei sieht man doch so einige Muster immer wieder, die wir hier als wertvolle und direkt umsetzbare Sabotageempfehlungen mit Ihnen teilen möchten.)

1. Aktuelle Prozesse ignorieren

Selten wird ein CRM auf der wirklich grünen Wiese ausgerollt. Meist existieren Prozesse und (Teil-) Automationen oder ganze gewachsene Systeme, die es zu ersetzen gilt. Möchte man das CRM-Projekt direkt vom Start weg auf wackelige Beine stellen, dann schlägt man vor, die aktuellen Prozesse erst gar nicht anzuschauen. Damit macht man sich beliebt, denn man spart Zeit und Aufwand und Geld und vor allem die Energie, sich mit den Altlasten zu beschäftigen. Und wer räumt schon gerne den Keller aus? Einfach über die alten Dinge (und die Katze, wenn’s sein muss) drüber-betonieren. Das ist agil und pragmatisch. 

Vorgehen 

  1. Tolle “SOLL”-Bilder malen 
  2. Drohkulisse aufbauen: Oh Gott, wollen wir uns wirklich mit den alten Problemen beschäftigen? 
  3. Vorschlagen, die aktuellen Prozesse und Lösungen zu ignorieren, weil es sich nicht mehr lohnt. Verzierung des Vorschlags mit positiven Worten wie “pragmatisch”, “innovativ”, “2.0” oder “Reinen Tisch”. 
  4. Nach Projektstart realisieren, dass man sich doch mit den aktuell laufenden Prozessen auseinandersetzen muss. Gleichzeitig feststellen, dass dies das Projekt extrem verlangsamen würde.  
  5. Teil-Einführungen vorschlagen, die das Projekt dann scheitern lassen, wenn die bösen Überraschungen aus den nicht analysierten Alt-Systemen und Prozessen auf unvollständiges neues CRM prallen. 
  6. Projekt rückabwickeln. 
  7. “Hab ich doch gleich gesagt”-Meeting organisieren. 

2. Stakeholder ignorieren 

Am Ende misst sich der Erfolg einer Software- oder Prozesseinführung daran, wie viele Menschen mitmachen. Es liegt auf der Hand: Misserfolg stellt man sicher, indem man die Betroffenen nicht fragt, was sie brauchen, erhoffen und befürchten. Wenn man gar keine Ahnung hat, was sich die Menschen vom Projekt erhoffen, dann muss man schon großes Pech haben, wenn die CRM-Lösung dann am Ende benutzt wird. 

Da das Unternehmen zum Zeitpunkt der Entscheidung “wir brauchen ein neues CRM” oft ungeduldig oder unter Zugzwang ist, kann man sehr gut argumentieren, dass jetzt keine Zeit mehr ist, Anforderungen aufzunehmen. So kann man fast sicher sein, dass man eine Bauchlandung hinlegt bei der Einführung. 

Vorgehen 

  1. Spät und ohne Luft zum Atmen mit dem Projekt beginnen. 
  2. Suggestiv Polarisieren: “Sollen wir jetzt hier mit allen bis zum Hausmeister Wünsch-Dir-Was spielen oder verlassen wir uns drauf, dass der Anbieter des CRM schon weiß, wie man so eine Software bauen muss?” 
  3. Mit der richtigen Kultur im Projekt den Wert der Stakeholder angemessen niedrig ansetzen: “Wenn die wüssten, was ein CRM tun soll, dann müssten wir ja wohl kein Neues für Millionen einführen.” 
  4. Projektbudgets und –budgetprognosen sehr eng um die eigentlichen Lizenzkosten schneiden, sodass gar kein Geld für solche Luxus-Forschungsaktivitäten da ist. 

3. Einfach den Marktführer nehmen 

Anforderungsanalyse, Zielkonzeption, Stakeholderanalyse, Ausschreibungsvorbereitung und -durchführung sind langweilig, langwierig und werden oft im Budget vergessen. Auch nervt das, sich jetzt Gedanken zu machen, welches Auto man braucht, wenn man doch eigentlich nur den Wind um die Nase spüren will. Und zwar schnell.  

Hier bietet sich an, ohne Umwege den Marktführer oder ein bekanntes System zu nehmen. Wer will sich schon mit Dutzenden spezialisierten Systemen und ihren Vor- und Nachteilen auseinandersetzen. Und: Wenn man mit dem Marktführer auf die Nase fällt, dann nimmt einem das auch keiner übel. Und dass man auf die Nase fällt ist – ohne vorherige Analyse und passendes Auswahlverfahren – nicht unwahrscheinlich. 

Vorgehen:

  1. Gartner und Forrester-Bilder von Google herunterladen 
  2. Eins der Systeme oben rechts mit einem roten Rahmen hervorheben 
  3. Feiern, dass man Monate an Zeit gespart hat 

 

4. Den langjährigen Partner implementieren lassen 

Was wir ja gar nicht gebrauchen können, wäre ein kompetenter Umsetzungspartner mit passender Erfahrung. Dann lieber den Problemgaranten nehmen: Ein bekannter Partner, der zwar keine passenden Erfahrungen im Bereich CRM hat, aber im Hause gesetzt ist. Dem kann man dann erstmal die Lernkurve bezahlen, sich in die spezifische Kombination aus System, Prozessen, Branche und Altsysteme hinein zu arbeiten. Das Gute daran: Während der Partner forscht, hat man selbst genug Zeit, sich seinem eigentlichen Job zu widmen. 

Einen Nicht-CRM-Profi mit Auswahl und Einführung eines CRMs zu betrauen ist so sinnvoll, wie den Kantinenkoch plastische Chirurgie (oder umgekehrt) machen zu lassen, weil “der schneidet ja sonst auch regelmäßig Fleisch für uns”. Dennoch ist das Vorgehen beliebt, weil es einen unbekannten Faktor durch einen zwar ungeeigneten, aber dafür bekannten Mitspieler ersetzt. 

Vorgehen:  

  1. Beliebtesten Implementierungspartner im Haus suchen 
  2. Optimistischer Pitch im Fahrwasser eines anderen Erfolgs nutzen. Alternativ: Timeline oder Budget so eng stecken, dass die Arbeit mit einem etablierten Partner alternativlos ist.  
  3. Anforderungen an die CRM-Einführung so weich definieren, dass CRM-Einführungskompetenz eher hinderlich wäre und bremsen würde. Oder am Besten gar nicht mit Anforderungen aufhalten, siehe die vorangegangenen Punkte. 
  4. Bekannte Gesichter nutzen. 

5. Eine Standardlösung nehmen – und die dann anpassen 

Wenn man eine Standardlösung einführt, dann bedeutet dies gleichzeitig, dass man in der Mehrzahl der Fälle eigene, gewachsene, maßgeschneiderte Lösungen abschafft und durch bewiesene Standards ersetzt. Oder zumindest die eigenen Standards kritisch hinterfragt. Da Veränderung aber generell nicht schön ist, ergibt sich hier eine mächtige Gelegenheit für uns zur Sabotage. Beim ersten Anzeichen, dass die Standardsoftware nicht zu unserem Alltag passt, beginnen wir, die Standards aufzuweichen. 

Vorgehen:  

  1. Standardsoftware wählen (ohne vorherige Analyse und Anforderungsaufnahme, siehe oben) 
  2. Niemanden sagen, dass “Standard” bedeutet, dass sich Prozesse ändern werden 
  3. Bei der ersten Abweichung zwischen CRM Software und gewachsenen Arbeitsabläufen auf die Notbremse hauen 
  4. Slogan: AGAH! (Alles ganz anders hier) Übersetzt: Wir haben mehrere Sekunden emotionale Arbeit investiert und sind zum Schluss gekommen, dass genau unsere Organisation inkompatibel mit dem Standard ist. 
  5. Anfangen, die Standardsoftware und ihre Prozesse kaputt zu customizen 
  6. Warten, bis Projekt rückabgewickelt wird oder bis man Millionen ausgegeben hat, um aus Branchenstandards etwas zu tun, das man nicht mehr merkt (keine Veränderung zu vor dem Projekt) 

6. Eine gute Software ist intuitiv und führt sich selbst ein. 

Wenn man es nicht geschafft hat, den Start des Projektes zu verhindern: Nicht verzagen. Es gibt einen sicheren Kniff, die Einführung zur Katastrophe werden zu lassen. Man verhindert, dass die zukünftigen Benutzer aufgeklärt und ausgebildet werden und überlässt sie kurz nach dem Überstülpen des neuen Systems komplett sich selbst. Verwirrung und Frustration werden ganz von alleine zu Hass und Ablehnung führen und das Projekt kann beruhigt als Rohrkrepierer abgelegt werden.  

Man verhindert angemessene Einführungsaktivitäten übrigens ganz einfach. Erst vergisst man sie in der Budgetierung. Und dann argumentiert man, dass die Software ja schon so teuer ist und dass teure Software gut ist und dass man von guter und teurer Software ja wohl erwarten kann, dass sie intuitiv ist und dass man nicht auch noch Zeit und Geld in Training und Marketing stecken muss.  

Vorgehen:  

  1. Einführung nicht im Budget berücksichtigen 
  2. Argumentationskette: Teuer ist gut und gut ist intuitiv. 
  3. Die Teure Software über die Mitarbeiter*innen stülpen, dann Telefon abschalten und Out-of-Office Agenten einschalten
  4. Warten, wie intuitiv die teure Software wirklich ist. Bei motivierten Stakeholdern aus dem Lamellenvorhang im Büro ein Seil knüpfen und durch das Fenster flüchten.
  5. Bonus: Wenn es (wie erwartet) nicht klappt, dann sind die Leute einfach zu blöd, eine intuitive Lösung ohne Hilfe zu verwenden.

 

7. Wenige CRM Ressourcen und dann nur die billigen 

Wir wissen, dass Projekt, Abnahme, Go-Live und die weitere Nutzung eines CRM-Tools und der damit verbundenen Prozesse absolut abhängig davon sind, wie gut die Organisation sich für CRM aufstellt. Im Grunde bedeutet die Einführung von CRM, dass eine CRM-Abteilung mit technischen und fachlichen Mitarbeiter*innen aufgebaut werden muss. Werden nur wenige oder keine und noch dazu unerfahrene Ressourcen aufgebaut, dann hat unser neuer Aufsitzrasenmäher keine Fahrer und kommt nicht vom Fleck. Oder fährt in den Teich.  

Zur Sabotage stellen sie also einfach sicher, dass keine Abteilung für Customer Relationship Management aufgebaut wird. Oder dass nur sehr unerfahrene Mitarbeiter dafür eingesetzt werden. Oder dass die Azubis es nebenher machen.  

Argumente:  

  1. Wir haben im Stellenplan nichts dafür vorgesehen. 
  2. Die Software ist so teuer, wir gehen davon aus, dass sie sich von alleine betreibt. 
  3. Das machen die Azubis, die ITler, die Marketingleute halt mit. 
  4. Es gibt am Markt keine bezahlbaren, erfahrenen Leute. Wir bauen die Skills intern mit jungen, lernbereiten Absolventen auf. 

8. Alles ins Outsourcing 

Sollte sich doch jemand damit durchsetzen, dass das CRM auch eine Betriebsmannschaft braucht, dann schlagen Sie einfach vor, das komplett rauszugeben. In unserer Erfahrung funktioniert das auf Dauer so gut, wie den Betrieb der Webseiten oder des Onlineshops oder das Intranet komplett rauszugeben: Das System bleibt ein Fremdkörper, Funktionen werden nicht verbessert oder erweitert, mit zunehmenden Kosteneinsparungen geht die Qualität den Bach runter und am Ende war das CRM einfach nur ein gescheitertes Experiment. 

Vorgehen:  

  1. Kurzer Pitch, warum es sich lohnt, einen Dienstleister zum Betrieb zu nutzen 
  2. Dienstleisterbriefings ohne Methode und ohne professionelles Dienstleistermanagement 
  3. Internen Frust aufbauen, dass man “für jedes Fitzelchen die Agentur beauftragen muss” 
  4. Irgendwann gar nichts mehr am CRM machen. 

 

9. Teilprojekte kapseln und parallelisieren – dann geht’s schneller schief 

Eine Sabotage-Intervention, die in jeder Phase funktioniert: Sollte das Projekt zu viel Ergebnisse produzieren, schlagen Sie vor, in gekapselten Teilprojekten zu arbeiten. Das ist effizienter und das ganze Abstimmen nervt ohnehin. Weniger Meetings mögen alle.  

 Vorgehen: 

  1. Kapseln Sie Funktionen des CRM wie Marketing und Sales und ignorieren Sie dabei, dass CRM im Herzen ein end-to-end Prozess ist.   
  2. Lösen Sie “das Datenmodell” und “die Schnittstellen” aus den fachlichen Diskussionen heraus. Auch sehr beliebt. Jede unangenehme und komplizierte Diskussion, die sie wegrationalisieren bringt Ihnen einen neuen Freund!  
  3. Lassen sie die Teilprojekte anschließend nur ein paar Monate (manchmal reichen Wochen) auseinander laufen und sie müssen sich keine Sorgen mehr um die Einführung machen.  
  4. Ihre Schnittstellen kommen nicht hinter dem Datenmodell her und fachlich passt auch nichts mehr zusammen.  

Durchatmen. 

Sie haben erfolgreich die Einführung von CRM im Unternehmen unterbunden. Kein Umdenken oder Umlernen, nix mit „Single view of the customer“ oder Transparenz der Kundenbeziehung. Sie haben wahrscheinlich unzählige Meetings verhindert, Anpassungen an geliebten Abläufen oder sogar der Organisation. Und das ist doch auch was!

Kontakt

Welche Sabotagemuster kennen Sie? Brauchen Sie Hilfe beim Verhindern oder Aufräumen? Dann freue ich mich über eine Nachricht. Nur beim Sabotieren helfen wir nicht. Wirklich nicht.

... ist Partner bei der O'Donovan Consulting AG. Der Diplom-Wirtschaftsinformatiker und Fellow des Chartered Management Institute konzentriert sich auf Kundenempathie, Stakeholdermanagement, strategische Beratung und Prozessoptimierung. Seit der Gründung der ersten Beratung/Agentur 1999 arbeitet er an kundenzentrierten User Journeys, skalierenden Produkten und dem Wachstum von Unternehmen. Besonders gerne bringt er weiche Faktoren wie Kundenempathiemodelle mit konkreten Methoden wie dem Anforderungsmanagement zusammen. Er hat für das BMBF Digitalisierungseffekte und passende Kompetenzentwicklungsmethoden erforscht und ist erfahrener #newwork Coach. Er lehrt in Mannheim und Frankfurt u.a. E-Commerce und Entrepreneurship.