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Ein Gastbeitrag von Dr. Pascal Zuber.

Warum es sich lohnt, vor dem Proof of Concept (PoC) innezuhalten

Die Entscheidung für ein neues IT-System zählt zu den größeren Weichenstellungen in vielen Organisationen. Sie betrifft weit mehr als nur die Auswahl einer Softwarelösung. Auch Prozesse, Datenstrukturen, Arbeitsweisen und Verantwortlichkeiten verändern sich oft grundlegend. Kein Wunder, dass viele Unternehmen zögern – oder direkt zu viel auf einmal wollen. Ein Zwischenschritt kann hier helfen: ein strukturierter Sanity Check, der Klarheit bringt, bevor direkt viel Zeit und Ressourcen in einen umfassenden PoC investiert werden.

Was ist ein Sanity Check im IT-Kontext?

Ein Sanity Check ist kein klassisches Auswahlverfahren, kein Lastenheft-Marathon und auch kein vollständiger Systemtest. Vielmehr geht es um eine erste, realistische Standortbestimmung:

  • Wo stehen wir heute?
  • Welche Anforderungen sind für uns wirklich entscheidend?
  • Welche Richtung scheint sinnvoll – und welche nicht?

Ein Sanity Check hilft, die Diskussion zu strukturieren, unterschiedliche Perspektiven im Unternehmen zusammenzubringen und erste systematische Erfahrungen mit einem möglichen Systemkandidaten zu sammeln – ohne sich bereits festzulegen: Es ist ein kompakter Vorab-Check, der hilft, potenzielle Lösungen realistisch einzuschätzen, interne Anforderungen zu schärfen und Sicherheit für weitere Entscheidungen zu gewinnen.

Typische Ziele eines IT Sanity-Checks

  • Frühe Validierung: Lassen sich zentrale Anforderungen mit dem System grundsätzlich umsetzen?
  • Kosteneffizienz: Vermeidung unnötiger Investitionen in komplexe POCs, wenn grundlegende Hürden früh auffallen.
  • Klarheit im Team: Ein gemeinsames Verständnis der eigenen Anforderungen und Prioritäten entwickeln.
  • Reduzierung von Risiken: Frühzeitiges Erkennen von Showstoppern oder unerwarteten Einschränkungen.
  • Zeitgewinn: Effizienz im Auswahlprozess durch klare Anforderungen und fundierte Go-/No-Go-Entscheidungen.

Wie läuft ein IT Sanity Check ab?

  1. Definition der Kernanforderungen: Gemeinsam mit den wichtigsten Stakeholdern (crossfunktional!) werden die zentralen Anforderungen und User Stories festgelegt.
  2. Abstimmung mit dem Anbieter: Der Softwareanbieter stellt eine Demo- Testumgebung bereit, in der die Kernanforderungen getestet werden können.
  3. Durchführung der Tests: Das Projektteam prüft -ggf. mit Hilfe des Anbieters – ob die wichtigsten Prozesse, wie in den User Stories beschrieben, grundsätzlich funktionieren.
  4. Ergebnisbewertung: Die Ergebnisse werden dokumentiert und es wird entschieden, ob ein vertiefter POC mit diesem Anbieter sinnvoll ist. Die Erkenntnisse werden zudem für den Vergleich mit Alternativanbietern genutzt.

Was bringt so ein Sanity Check konkret?

  1. Geringe Einstiegshürde – hohe Erkenntnisdichte
    Ein Sanity Check ist schnell organisiert: wenige Wochen, ein kleines Team, gezielte Fragen. Keine vollständige Systemintegration, keine aufwändigen Datenmigrationen. Der Aufwand ist überschaubar –der Erkenntnisgewinn oft überraschend hoch.
  2. Besseres Verständnis für die eigenen Anforderungen
    Viele Unternehmen erkennen erst im Kontakt mit einem realen System, was ihnen wirklich wichtig ist. Begriffe und Prozesse bekommen durch das direkte „look and feel“ der Software eine konkrete Bedeutung. Das hilft, die eigenen Ziele zu priorisieren und Missverständnisse im Team zu vermeiden.
  3. Realitätsnahe Einschätzung – auch was nicht funktioniert
    Durch gezielte Tests der wichtigsten Funktionen erkennen Sie früh, ob das System Ihre „Must-haves“ erfüllt. Es zeigen sich nicht nur Stärken, sondern auch Schwächen und können so vermeiden, dass erst im POC oder gar später während der Implementierung grundlegende Probleme sichtbar werden.
  4. Minimierung von Fehlinvestitionen
    Wenn sich früh zeigt, dass ein System grundlegende Anforderungen nicht erfüllt, kann frühzeitig abgesprungen oder umgesattelt werden. Das schützt vor teuren und möglicherweise politisch motivierten Entscheidungen, die sich später als Fehlinvestitionen entpuppen würden.
  5. Effizienzgewinn im Auswahlprozess
    Sanity Checks dauern meist nur wenige Wochen mit einem überschaubaren Ressourceneinsatz. Sie ermöglichen ein fokussiertes Screening potenzieller Anbieter und beschleunigen den Auswahlprozess durch Konzentration auf die vielversprechendsten Kandidaten.
  6. Rückmeldung aus der Organisation – schwarz auf weiß
    Strukturiertes Feedback am Ende des Sanity Checks sichert die Eindrücke aller Beteiligten. Rückmeldungen aus verschiedenen Fachbereichen eröffnen oft neue Perspektiven und geben Sicherheit für die nächsten Schritte

Wichtig: Damit dieser Schritt wirken kann, sollten die Beteiligten auch wirklich eingebunden sein – zeitlich und fachlich. Nur, wer sich mit den Inhalten beschäftigt, kann fundierte Rückmeldungen geben. Und genau diese sichern eine tragfähige Entscheidung.

Was ein Sanity Check nicht leisten will – und auch nicht muss

Ein häufiger Fehler: Den Sanity Check mit einem Mini-PoC zu verwechseln. Es geht nicht darum, die volle Funktionstiefe zu prüfen oder sich bereits festzulegen. Ein Sanity Check liefert keine belastbaren Aussagen zur Performance im Echtbetrieb, Skalierbarkeit oder Integrationsdetails. Vielmehr dient er als Filter und Klärungshilfe. Er hilft, Optionen einzugrenzen, Prioritäten zu klären und Risiken frühzeitig zu identifizieren.

Was kommt nach dem Sanity Check?

Ist das Ergebnis positiv, folgt der strukturierte Einstieg in die eigentliche Systemauswahl:

  • Ausformulierung von Anforderungen und Bewertungskriterien (Überführung von User Stories in Use Cases)
  • Entwicklung eines klaren Zielbilds und Umsetzungsplans
  • Gezielte Durchführung eines fokussierten Proof of Concept mit ausgewählten Anbietern

Selbst wenn sich ein getestetes System im Sanity Check als ungeeignet erweist: Der Aufwand hat sich gelohnt. Je früher Klarheit herrscht, desto besser lassen sich spätere Fehlinvestitionen vermeiden.

Fazit: Weniger ist mehr – zumindest am Anfang

Der Wunsch nach einem neuen IT-System geht oft mit großen Erwartungen einher. Genau hier ist daher ein kontrollierter Einstieg mit einem Sanity Check sinnvoll. Ein Sanity Check bietet die Gelegenheit, gezielt Erfahrungen zu sammeln, bevor man sich tiefer bindet – und dabei gleichzeitig die eigenen Anforderungen zu schärfen.

Er ersetzt keine vollständige Evaluation – aber er verbessert sie. Und manchmal zeigt sich schon im Kleinen, ob es sich lohnt, größer zu denken.

Ein Sanity Check kann der entscheidende erste Schritt sein. Wenn sie mit dem Gedanken spielen, ein neues System einzuführen – oder mittendrin stecken und nicht weiterkommen – dann sprechen sie uns gern an. Wir zeigen ihnen, wie sie mit wenig Aufwand zu mehr Orientierung kommen.

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Dr. Pascal Zuber